Mythos Eiweißbedarf – wie viel brauchen wir wirklich für den Muskelaufbau?
In den sozialen Medien wird der Eindruck vermittelt, als müsse jeder, der regelmäßig ins Fitnessstudio geht, täglich große Mengen an Eiweiß zu sich nehmen – am besten direkt nach dem Training, und natürlich in Pulverform. Der Bedarf wird dabei meist mit Zahlen von 1,5 bis 2,5 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht beziffert – oft von Fitness-Influencern oder Supplement-Herstellern selbst. Doch ist das tatsächlich nötig?
Ganzheitlich denkende Mediziner wie Dr. Max Otto Bruker, der Zeit seines Lebens den Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit erforscht hat, betonten immer wieder: Nicht die Menge, sondern die Qualität von Eiweiß ist entscheidend. Der menschliche Körper benötigt keine isolierten Proteinkonzentrate, sondern Eiweiß in seinem natürlichen Verbund mit anderen Vitalstoffen – wie es in naturbelassenen Lebensmitteln vorkommt. Bruker warnte bereits vor Jahrzehnten vor den Folgen eines übermäßigen Eiweißkonsums aus hochverarbeiteten Quellen und dessen Wirkung auf das Bindegewebe und die Regulationssysteme des Körpers.1,2
Auch heutige ernährungsmedizinische Studien3 zeigen, dass viele der verbreiteten Empfehlungen zum Eiweißbedarf stark überhöht sind – besonders für Menschen, die keinen Hochleistungssport betreiben. Der Körper kann ohnehin nur begrenzt Protein aufnehmen und verwerten. Überschüsse werden nicht in Muskeln eingebaut, sondern zum Teil ins Bindegewebe oder sie werden als Fett gespeichert oder ausgeschieden, was zu einer unnötig hohen Nierenbelastung führt.
Statt sich auf eine bestimmte Grammzahl zu fixieren, lohnt sich der Blick auf naturbelassene Eiweißquellen: Hülsenfrüchte, Samen, Nüsse, Getreide, Gemüse – in Kombination liefern sie alle essenziellen Aminosäuren und wirken gleichzeitig vitalisierend, nicht belastend. Ein klarer Unterschied zu industriellen Pulvern, die dem Körper mehr Arbeit als Nutzen bereiten.
Autophagie und Bindegewebe: Wie zu viel Eiweiß den Körper beeinflusst
Ein faszinierender und gleichzeitig essenzieller Selbstreinigungsmechanismus unseres Körpers ist die Autophagie – ein Prozess, bei dem Zellen beschädigte oder überflüssige Bestandteile abbauen und verwerten. Diese „zelluläre Müllabfuhr“ ist entscheidend für die Gesundheit, Regeneration und sogar die Vorbeugung von Krankheiten. Sie läuft vor allem dann besonders effizient ab, wenn der Körper nicht ständig mit Nährstoffen – insbesondere Proteinen – geflutet wird.
Ein dauerhaft hoher Eiweißkonsum kann die Autophagie hemmen. Denn bei einem Überangebot an Proteinen wird der Körper ständig in einem anabolen Zustand gehalten – dem Aufbauzustand –, wodurch die notwendigen Fastenphasen, in denen sich der Körper regeneriert, zu kurz kommen oder ganz ausbleiben. Langfristig kann das negative Folgen für die Zellgesundheit und das Immunsystem haben.
Hinzu kommt: Überschüssiges Eiweiß verbleibt nicht einfach harmlos im System. Es kann sich – besonders in minderwertiger Form – im Bindegewebe ablagern und dort „verkleistern“. Der Zellzwischenraum, also das sogenannte Interstitium, verliert an Durchlässigkeit. Dies beeinträchtigt nicht nur die Versorgung der Zellen mit Nährstoffen und Sauerstoff, sondern auch den Abtransport von Stoffwechselendprodukten – ein regelrechter Stau im Körpersystem entsteht. Die Folge: Trägheit, Entzündungen und langfristig ein erhöhtes Krankheitsrisiko.
Qualität statt Quantität: Die Bedeutung natürlicher Eiweißquellen
Wenn es um Eiweiß geht, denken viele automatisch an möglichst viel – möglichst schnell. Doch der Körper folgt anderen Gesetzen als der Fitnessmarkt. Für unsere Zellen ist nicht die bloße Menge an Eiweiß entscheidend, sondern dessen Qualität, biologische Wertigkeit und wie es eingebettet ist in seinen natürlichen Nährstoffverbund.
Ein Ei, eine Handvoll Mandeln oder eine Portion Linsen liefern nicht nur Eiweiß, sondern auch Vitamine, Mineralstoffe, Enzyme, sekundäre Pflanzenstoffe und Ballaststoffe – ein ganzes „Vitalstoff-Orchester“, das in seiner Gesamtheit wirkt. Diese Synergien fehlen in industriell hergestellten Pulvern völlig. Hier liegt Eiweiß meist in isolierter Form vor, oft angereichert mit künstlichen Aromen, Süßstoffen, Farbstoffen und Verdickungsmitteln. Das Resultat: eine Art „Einzelkämpfer-Eiweiß“, das ohne seine natürlichen Mitspieler nicht dieselbe Wirkung entfalten kann.
Hinzu kommt, dass hochverarbeitete Eiweißpräparate aus Milch (Whey), Soja, Erbsen oder Reis nicht selten Rückstände aus dem Herstellungsprozess enthalten – etwa Lösungsmittel, Schwermetalle oder gentechnisch veränderte Bestandteile. Auch wenn die Werbung anderes suggeriert: Was auf der Packung nach Erdbeere oder Vanille klingt, ist meist weit entfernt von Natur.
Der Körper erkennt und verarbeitet naturbelassene Nahrung anders – als etwas Lebendiges. Nicht selten berichten Menschen, dass sie sich nach dem Umstieg auf naturbelassene, vitalstoffreiche Kost leichter, klarer und energiegeladener fühlen. Es ist eben ein Unterschied, ob der Körper mit lebendiger Nahrung versorgt oder mit toten Substanzen beschäftigt wird.
Kreatin und andere Supplements: Ein kritischer Blick
Neben Eiweißpräparaten stehen auch andere Supplements bei Fitnessbegeisterten hoch im Kurs – allen voran Kreatin. Es gilt als „leistungssteigernd“, „sicher“ und „gut erforscht“. Und tatsächlich kann Kreatin kurzfristig die Schnellkraft und den Muskelaufbau unterstützen. Aber: Diese Wirkung rechtfertigt noch lange nicht den flächendeckenden Einsatz bei Jugendlichen und Freizeitsportlern.
Kreatin ist eine körpereigene Substanz, die in Leber, Niere und Bauchspeicheldrüse gebildet wird – aus Aminosäuren, die bei ausgewogener Ernährung ausreichend vorhanden sind. Ein gesunder Körper ist also in der Lage, seinen Bedarf selbst zu decken. Wer sich vitalstoffreich ernährt, benötigt in der Regel keine zusätzliche Zufuhr.
Das Problem bei Supplementen wie Kreatin liegt nicht nur in der unnötigen Einnahme, sondern auch in der Dosierung, Dauer und der Kombination mit anderen Stoffen. In vielen Produkten finden sich Mischungen aus Kreatin, Koffein, künstlichen Aromen, Süßstoffen und weiteren Stoffen, die für den Organismus belastend sein können – insbesondere bei langfristigem Gebrauch. Zudem fehlt es oft an unabhängigen Langzeitstudien über die Auswirkungen auf junge Körper im Wachstum.
Auch andere beliebte Fitness-Supplements – wie BCAAs Verzweigtkettige Aminosäuren – sie sollen den Muskelaufbau fördern, sind aber bei ausgewogener Ernährung meist überflüssig. , Pre-Workout-Booster, „Fatburner“ oder Testosteron-Booster – sind kritisch zu sehen. Viele dieser Produkte wirken nur kurzfristig oder vor allem durch den Placeboeffekt. Einige enthalten zudem Substanzen, die hormonelle Prozesse stören oder die Leber belasten können.
Nicht zuletzt tragen diese Mittel dazu bei, dass sich junge Menschen vom eigenen Körpergefühl entfernen. Statt auf Hunger, Sättigung und natürliche Leistung zu hören, wird nachgenommen, getimed, gemixt – die Beziehung zur eigenen Biochemie wird technisiert. Was bleibt, ist ein Abhängigkeitsgefühl von Produkten, die eigentlich gar nicht nötig wären.
Ressourcenverbrauch und Umwelt: Die Schattenseite der Supplement-Herstellung
Oft wird übersehen, dass Supplements nicht nur den Körper, sondern auch die Umwelt belasten. Ihre Produktion ist ressourcenintensiv: Es braucht große Mengen an Wasser, Energie und landwirtschaftlicher Rohstoffe, um Eiweiß aus Milch, Soja, Reis oder Erbsen zu extrahieren, zu isolieren und zu verarbeiten. Und das alles, um ein Produkt zu erzeugen, das in seiner Wirkung fragwürdig und in seiner Notwendigkeit zweifelhaft ist.
Was dabei meist untergeht: Für die Herstellung dieser „Super-Pulver“ werden enorme Mengen an Quinoa, Soja oder Reis angebaut – oft in Regionen der Welt, in denen Menschen selbst kaum genug zu essen haben. Statt diese nährstoffreichen Pflanzen für die lokale Ernährung zu nutzen, landen sie – in hochverarbeiteter Form – in Dosen auf Fitnessregalen in wohlhabenden Ländern. Eine absurde Umverteilung von Lebensmitteln: Während Familien vor Ort mit Mangelernährung kämpfen, konsumieren Menschen anderswo Proteinkonzentrate aus jenen Rohstoffen, die dort hätten satt machen können.
Dass Soja häufig aus gentechnisch veränderten Monokulturen stammt, für deren Anbau Regenwälder gerodet und Böden ausgebeutet werden, darf ebenfalls besonders kritisch gesehen werden. Auch die Molkenproteinproduktion belastet die Umwelt – als Nebenprodukt der industriellen Milchverarbeitung ist sie Teil eines Systems, das weder nachhaltig noch tiergerecht ist.
Hinzu kommen Plastikverpackungen, Aluminiumdeckel, aufwendige Transportketten und globale Logistik. Der ökologische Fußabdruck vieler Supplements steht in keinem Verhältnis zu ihrem Nutzen – vor allem, wenn man bedenkt, dass natürliche Eiweißquellen wie Hülsenfrüchte, Nüsse und Getreide lokal und umweltschonend verfügbar wären.
Echte Fitness sollte nicht auf Kosten anderer oder der Umwelt gehen. Wer ganzheitlich denkt, hinterfragt nicht nur Inhaltsstoffe, sondern auch Herkunft, Herstellung und Ethik eines Produkts.
Jugendliche und Fitness-Trends - 5 Tipps für Eltern im Umgang mit dem Supplement-Konsum
Für viele Eltern ist es ein vertrautes Bild: Der Sohn oder die Tochter kommt stolz aus dem Fitnessstudio, packt den neuen Shaker aus, erzählt von der besten „Proteinmarke“, die der Lieblings-Influencer gerade empfiehlt – und schon steht die nächste große Dose mit Cookies-and-Cream-Geschmack im Küchenschrank. Argumente prallen ab wie Wasser auf Proteintüten. Aber was tun, wenn die eigene Sorge auf taube Ohren trifft?
Zunächst: Jugendliche in der Pubertät sind besonders empfänglich für äußere Einflüsse. Influencer, Peergroups und Idole nehmen oft mehr Raum ein als Eltern – das ist normal. Gerade im Fitnessbereich vermitteln soziale Medien ein Idealbild von Körper, Leistung und Disziplin, das mit Nahrungsergänzungsmitteln vermeintlich schneller erreichbar ist.
Was Eltern tun können:
Beziehung vor Belehrung: Jugendliche hören selten auf direkte Kritik – aber sie spüren Authentizität. Ein offenes, wertschätzendes Gespräch auf Augenhöhe wirkt oft mehr als jeder Vortrag über Inhaltsstoffe.
Fragen statt verbieten: Statt zu sagen „Das ist ungesund!“, kann ein „Was gefällt dir daran?“ oder „Hast du mal geschaut, was da genau drin ist?“ Denkanstöße geben. Das regt zur Selbstreflexion an, ohne Widerstand auszulösen.
Alternative Vorbilder zeigen: Auch im Netz gibt es immer mehr Sportlerinnen und Sportler, die auf natürliche Ernährung und ein bewusstes Leben setzen – ohne Supplement-Flut. Diese „stillen Vorbilder“ können mehr bewegen als moralische Appelle.
Selbst vorleben: Wer selbst vitalstoffreich isst, sich regelmäßig bewegt und entspannt mit dem eigenen Körper umgeht, wird über kurz oder lang auch bei den Kindern einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Vorleben wirkt stärker als vorpredigen.
Humor und Geduld behalten: Jugendliche wechseln Meinungen oft schneller als ihre Trainingspläne. Manches braucht einfach Zeit – und einen kühlen Kopf am Familientisch.
Und zuletzt: Wer die eigene Sorge nicht im Alleingang tragen möchte, kann externe Begleitung anbieten – z. B. eine ganzheitliche Ernährungsberatung, in der der Fokus nicht auf Verboten, sondern auf Verständnis und natürlicher Leistungsfähigkeit liegt. Oft hilft der „neutrale Dritte“, um verhärtete Fronten zu lösen.
Fazit: Weniger ist mehr – für Gesundheit und Umwelt
Die Fitnessindustrie verspricht viel: mehr Muskeln, mehr Leistung, mehr Attraktivität – oft verpackt in Dosen, Beuteln und Hochglanzkampagnen. Doch bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Supplements wie Proteinpulver, Kreatin und Co. sind selten notwendig, häufig überdosiert und in ihrer Wirkung überschätzt. Sie gaukeln Kontrolle vor – über den Körper, den Fortschritt, das Leben selbst. Dabei führen sie oft genau davon weg: vom natürlichen Rhythmus, vom Gespür für das, was der Körper wirklich braucht.
Wer beginnt, auf die Qualität statt die Quantität zu achten, wer Lebensmittel wieder als Ganzes betrachtet und sich fragt, woher etwas kommt – nicht nur, was auf der Packung steht –, der gewinnt mehr als nur Gesundheit: Er gewinnt Souveränität.
Für Eltern, die ihren Kindern diesen Weg eröffnen möchten, braucht es Geduld, Vertrauen und das richtige Maß an Mitgehen und Loslassen. Doch jede Saat, die heute gesät wird, keimt irgendwann. Und oft sind es gerade die stillen Impulse, die am stärksten nachwirken.
Jetzt beraten lassen – natürlich, individuell, nachhaltig
Wer sich auf den Weg macht, den eigenen Körper nicht mit künstlichen Versprechen, sondern mit echter Nahrung zu stärken, wird oft mit mehr belohnt, als er erwartet hat: mit Klarheit, Energie und einem neuen Vertrauen in das, was in uns angelegt ist.
Wir laden dich ein, diesen Weg gemeinsam mit uns zu gehen – mit Wissen, Erfahrung und einer tiefen Achtung vor der Natur und dem Wunder Mensch.
Bleib natürlich gesund

Quellen:
1 Dr. med. Max Otto Bruker „Unsere Nahrung – unser Schicksal“
2 Dr. med. Max Otto Bruker „Der Murks mit der Milch“
3 z. B. Hahn & Hauner, 2018; Nature Reviews Endocrinology, 2021